Samstag, 14. März 2020

Die Gebrüder Teichmann über das „M’Orpheo“-Projekt





Für Rituale, Trance und auch Spiritualität hat Musik schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Dies bildet eine Schnittstelle zwischen Monteverdis „L’Orfeo“ und der elektronischen Clubkultur.



Als Kinder der 90er-Jahre hat es uns sehr gefreut, mit Techno auf eine mittlerweile ja ebenfalls schon fast „historische“ Klangsprache zurückzukommen, in der sich die wilde Aufbruchs­phase dieser prä-digitalen Zeit und der elektronischen Clubkultur widerspiegelt.
Seit dem neuen Jahrhundert bewegen wir uns mehr und mehr über die Grenzen unseres Genres hinaus. Dies reicht von der Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Ensembles und Musikern wie dem Ensemble Modern, über intertraditionelle Kollaborationen mit afrikanischen oder wie gerade im Dezember mit nordindischen Sufi-Musikern, bis zu Projekten mit zeitgenössischem Tanz. Über den Tellerrand zu blicken hilft, künstlerische wie soziale Grenzen in Frage zu stellen sowie den Horizont und den Spielraum zu erweitern. Dies umfasst für uns nicht nur einen künstlerischen, sondern auch einen gesellschaftlichen Anspruch.
Im Gegensatz zum direkten Zusammenspiel, das in unserer Praxis eine wichtige Rolle spielt, interagieren wir bei „M’Orpheo“ mit einer festen Komposition, die überdies schon 400 Jahre alt ist.
Die barocke, ornamentreiche, aber auch etwas starre Musik unterscheidet sich stark von unserem musikalischen Ansatz. Für uns stehen Klänge im Vordergrund, nicht Melodien und harmonische Wechsel.
Wir konzentrieren uns also auf ganz andere Parameter und spielen dabei detailliert mit der Verformung von Klang und rhythmischen Systemen und Strukturen. Die Vermischung der beiden Sprachen wäre schwierig. Zum einen könnte es schnell kitschig werden, zum anderen wäre eine gemeinsame Musik auch nur möglich, wenn wir als Live-Musiker dabei wären und nicht, wie bei diesem Projekt als Musik-„Produzenten“. Wir haben uns daher entschieden, eher zu kontrastieren als zu vermischen.
Inhaltlich behandelt Monteverdis Oper Themen aus der griechischen Mythologie. Das heißt, dass in der Oper weit mehr als zwei musikalische Traditionen zusammentreffen. Wir finden den Dialog der Generationen über viele Jahrhunderte hinweg sehr spannend. Für unser Gefühl funktioniert das sehr gut, nicht nur musikalisch, sondern auch in der Art, wie Hauen und Stechen es schaffen, die Orpheus-Geschichte mit aktuellen Themen und Diskursen zu verknüpfen. Außerdem ist es natürlich wunderbar, nach so vielen Jahren in dieser Form zurück in die alte Heimat zu kommen.

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